Zur Geschichte der neuen Sorten (Piwis)

Wieso herrscht bis heute ein ambivalentes Verhalten gegenüber pilzwiderstandsfähigen Sorten (Piwis) ? Um diese Frage zu klären muss man in der Geschichte einen Sprung zurück in das Frankreich des 19. Jahrhunderts machen.

Zu Beginn des 19.Jhr. wurden erstmals amerikanische Reben nach Frankreich importiert, gleichzeitig wurden auch der Falsche und Echte Mehltau, sowie die Reblaus nach Europa eingeführt. Diese Pilzkrankheiten und Schädlinge waren auf unserem Kontinent früher nicht heimisch, weshalb die europäischen Sorten nicht mit ihnen konfrontiert wurden und auch keine Resistenz gegen sie entwickeln konnten. Diese Problematik führte in den klimatisch ungünstigen Folgejahren dazu, dass sich die Schädlinge und Krankheiten rasend schnell ausbreiten konnten und es kam zu Ertragsausfällen. Die Weinbauern bemerkten aber, dass die amerikanischen Rebsorten resistent waren und setzten vermehrt auf die eingeführten Sorten. Da diese leider einen eigenwilligen Geschmack, den Foxton, aufwiesen, fand die Ausbreitung zu Beginn aber nur langsam statt.

Durch ungünstige klimatische Verhältnisse und den ersten und zweiten Weltkrieg, sowie der Landflucht waren viele Weinbauern auf weniger arbeitsaufwendige Sorten angewiesen. Die Piwis bedurften nämlich keiner Pflanzenschutzbehandlungen und durch die Kriege war das Kupferarsenal erschöpft und andere chemische Substanzen waren schwer aufzutreiben, was zu hohen Preisen führte. In dieser Zeit gab es auf Piwis spezialisiert Rebschulen, die seit dem Beginn des Importes von amerikanischen Sorten mit der Kreuzungszüchten begonnen hatten und über die Jahre eine riesige Sortensammlung angelegt hatten. So umfasste 1925 zum Beispiel der Sortenkatalog des privaten Rebzüchters Seibel 1085 robuste Rebsorten! Ausserdem existierten zwischen den Jahren 1877 und 1968 diverse unabhängige Zeitschriften, die sich mit der Neuzüchtung resistenter Sorten befassten. Dies zeigt, wie aktuell das Thema damals war.

Die Verbreitung der Resistenten Sorten nahm im Laufe der Jahre zu, weil die Neuzüchtungen qualitativ und produktiv gegenüber den Europäersorten Boden gutmachen konnten. Denn die Rebschulen verkoppelten immer besser die Resistenzen der amerikanischen Sorten mit den positiven Traubeneigenschaften der europäischen Rebe.

Da die angelegten Piwi-Weinberge immer älter wurden und die Erfahrungen der Winzer mit den neuen Sorten immer professioneller wurden, legte auch die Weinqualität massiv zu. Das ging so weit, das an renomierten Weinverkostungen Weine aus den pilzresistenten Reben plötzlich besser bewertet wurde als aus den traditionellen Traubensorten. Das war natürlich den Burgunder und Bordeauxwinzern ein Dorn im Auge…

Ab 1955 begann der französische Staat die persönliche Freiheit der Weinbauern durch Dekrete und Klassifizierungen gezielt einzuschränken. Viele Winzer konnten diese Dekrete zu Beginn noch umgehen und so erreichte der Piwi-Flächenanteil mit 402 000 ha im Jahre 1958 seinen Höchststand. Das entsprach 30% der gesamten französischen Rebfläche! Die Rebklassierung des Jahres 1955 führte aber dazu, dass lediglich 20 zugelassene Piwi-Sorten übrigblieben. Darunter Léon Millot, Maréchal Foch, Chambourcin und Seyval blanc, Sorten die heute noch qualitaiv tolle Weine hervor bringen. Zudem konnten ab 1955 keine Neuzüchtungen mehr frei verkauft und angebaut werden. Weshalb früher oder später alle privaten Züchter ihre Arbeit einstellen mussten. Was für ein Desaster!!!

Der Staat mit seine „Verbündeten“ aus der Chemie und Traditionalistenwinzern erreichte somit sein Ziel, die Züchtungsarbeit abzuwürgen und fortan selbst zu übernehmen und zu kontrollieren. Das bedeutet Stillstand, ja Rückschritt auf der ganzen Linie. Die Verlierer sind daraus die Konsumenten, die Winzer und vor allem die Natur! (Siehe auch Literatur Piwi- Rebsorten von Pierre Basler und Robert Scherz)

Erst 2018 wurden in Frankreich wieder 4 neue Piwi- Rebsorten. Dies auf jahrelangen Druck der Umweltverbände. Gott sei Dank!

In der Schweiz befasste man sich ab den 1980er Jahren wieder vermehrt mit pilzresistenten Neuzüchtungen. Vor allem Valentin Blattner aus Soyhières (Kanton Jura) brachte in den letzten Jahren einige sehr erfogreiche Neuzüchtungen auf den Markt, wie Cabernet Jura oder Cabernet blanc.

Seit 2017 unterstützen wir Valentin in seiner Arbeit. Einerseits haben wir die Mikrovinifikationen seiner neuesten Hoffnungsträger übernommen (um das Weinpotenzial auszutesten) und andererseits legten wir 2018 einen Muttergaten mit über 100 noch namenlosen Neuzüchtungen an...

Pflanzenzüchtung von neuen robusten Traubensorten

Zusammen mit dem Rebzüchter Valentin Blattner aus Soyhières und dem Rebschulist Philipp Borioli aus Bevaix haben wir uns ganz der Züchtung von pilzwiderstandsfähigen Traubensorten verschrieben. Mit diesen neuen robusten Traubensorten, den PIWIs, möchten wir die Weingärten der Zukunft pestizidfrei gestalten!

Rebzüchtung: Ende Mai / Anfangs Juni führt Valentin Blattner die eigentlichen Kreuzzüchtungen durch. Als Muttersorte dient meistens eine weingeschmacklich hervorragende, klassische europäische Traubensorte (wie Cabernet Sauvignon). Diese wird kastriert, sprich die Staubfäden mit den Staubbeuteln werden entfernt. Danach erfolgt die gezielte, manuelle Bestäubung mit dem Pollen von einer pilzresistenten Vatersorte. Nach erfolgreicher Bestäubung und Befruchtung entwickeln sich die Beeren ganz normal, so dass im Herbst die Samen geerntet werden können.

Samenfeld: Die Samen werden im Gewächshaus vorgetrieben und im Mai in einem Samenfeld eingepflanzt. Jährlich werden so rund 30000 Samen ausgepflanzt. Bereits im ersten Jahr sterben in diesem Samenfeld rund 80% der Jungpflanzen ab, aus Resistenzmangel. Nach dem zweiten Jahr bleiben noch rund 200 Mutterpflanzen übrig, die optisch gute physiologische Eigenschaften besitzen und pilzresistent sind. Diese Mutterpflanzen werden nun genetisch untersucht. Nur diejenigen Mutterpflanzen werden weiter verfolgt, die genetisch mehrere Abwehrgene gegen die wichtigsten Pilzkrankheiten vorweisen.

Muttergarten: Von diesen mehrfach pilzresistenten Mutterreben, noch alle mit Nummer versehen wie zum Beispiel die 1-28 (Reihe 1, Mutterstock 28), werden nun mittels vegetativer Vermehrung übers Holz die ersten identischen Reben gemacht. Diese werden auf reblausresistente Unterlagen veredelt und in einem Muttergarten ausgepflanzt. Von einem Mutterstock können 5 bis 10 Nachkommen erzeugt werden. Im Muttergaten wird nun über 4 bis 5 Jahre die weitere Entwicklung beobachtet: ist es eine weisse oder rote Traubensorte? Hält die Pilzresistenz? Ist sie ertragsreich? Wie ist ihr Wuchsverhalten? Ist sie früh- oder spätreif? Wie fest sind die Beerenhäute? Wie aromatisch schmeckt sie? Wie viel Zucker produziert sie? Wie steht es mit der Säure?...

Nach rund 4 Jahren beiben im Muttergarten noch zwei bis vier Favoriten übrig, die alle unsere Züchtungsziele im freien Feld erfüllen. Um nun auch das mögliche Weinpotential mit dem Geschmacksprofil heraus finden zu können, muss ein erster Rebgarten angelegt werden. Nach weiteren 3 Jahren können nun die ersten Mikrovinifikationen realisiert werden. Diese ersten Versuchsweine werden von Fachleuten und Weinkonsumenten wiederholt blind verkostet. Schliesslich setzt sich nach rund 15 Jahren Arbeit aus 30000 Samen eine neue PIWI Traubensorte durch...

Bilder links unten:

Valentin Blattner und Philipp Borioli fachsimpeln im Samenfeld am Neuenburgersee.

Bild rechts unten:

Das Team vom Weingut Lenz an der Traubenreifebonitur im Muttergarten am Iselisberg.
 
 

DIVERSE PIWI-REBSORTEN INKL. MESSWERTE
 
 

Die Bildfolge unten dokumentiert die wichtigsten Arbeitsschritte um Jungreben zu produzieren.

Die Zusammenarbeit mit der Rebschule Borioli bei der Pflanzenzüchtung führte auch zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit betreffend Jungrebenproduktion / Rebschule. Die Rebschule Boriolo ist seit 2020 ebenfalls biozertifiziert.
 
 
 
 

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